„Sag mal, so ganz normal bist Du nicht oder? Einerseits siehst Du vieles kritisch, egal ob es die Weltlage, Rente, Migration, Europa angeht und hast eine eigene, sehr differenziert Meinung, andererseits siehst Du überall das Positive. Auch in den Dingen.“
Ich gucke meinen Nachbarn an und frage mich was er meint.
„Ähm, Du hast Recht, ich bin für vieles, aber ich finde nicht alles positiv, was entschieden und gemacht wird. Das muss man unterscheiden.“
„Ja,“ sagt er „gut, bei den Dingen magst Du Recht haben, aber mal ganz persönlich, Dein Leben ist doch auch nicht aus Zuckerwatte?“
Und schon gar nicht rosarot dachte ich.
„Du bist krank, gut, hast Dich wirklich wieder auf die Beine gestellt, das finde ich toll, aber ich kenne die Krankheit ja selbst, da gibt es keine Heilung. Mich macht das fertig, auch wenn ich versuche jeden Tag etwas für mich zu tun und nicht aufzugeben, aber dabei noch lächelnd durch die Gegend laufen, dass ist nicht drin. Und dann dein Freund, der ist weit weg und das Auto stand schon Wochen nicht vor der Tür – Freunde sieht man bei Dir auch nicht oft aus und eingehen, ganz ehrlich, ich verstehe Deine positive Laune nicht. „
Mhh – eigentlich gehört er zu den Leuten, die nicht so viel reden, viel beobachten, aber irgendwie schein ich ihn getroffen zu haben und er hat ja in vielen Punkten Recht.
Ja ich bin krank, aber ich habe damals „nur“ mit der Lungenerkrankung, die viele (auch Ärzte) nicht ernst genommen haben gesagt:
Ich habe jeden Morgen einen Grund zum Glücklichsein, ich atme.
©Tubbsi 2011
Und genau so beginne ich heute meinen Tag und ich bin nicht mehr nur dankbar, dass ich atme, nein, ich freu mich, dass mein Herz schlägt, meine Nieren arbeiten, meine Lunge, obwohl sie kleiner ist durch die OP ihren Job perfekt macht. Ja ich freue mich, dass ich morgens allein aufstehen kann, um mir meinen Kaffee selber zu kochen, mich selber zu waschen alleine zu duschen und dass ich eine Gabel zum Mund führen kann.
Dinge, die – wie ich heute weiß – nicht so selbstverständlich, wie wir glauben.
Ich habe das ein paar Wochen erlebt, war lange im Krankenhaus – bin aufgewacht und konnte eben nicht mein Butterbrot selber zum Mund führen. Mich waschen oder überhaupt irgendwas tun.
Nicht mal laut reden gelang (und wenn ich in Fahrt komme babbel ich gerne lang und viel 🙂 ), eigentlich gelang reden gar nicht weil da dieser dicke Schlauch von der Beatmungsmaschine in der Kehle steckt. Und vieles andere.
Heute? Sieht es trotz der vielen negative Prognosen richtig gut aus.
Hey, ich hab 5 Jahre gewonnen, da sieht man Dinge anders und genießt die kleinen Dinge glaubt mir.
Vor allem dann, wenn die Fachleute hier in Germany Dir eine Überlebenschance von nicht mal einem Jahr geben.
Ja ich kenne die Weltlage, ich sehe, was für Politiker hier in Deutschland und in Europa versuchen an die Macht zu kommen, ich höre Worte von Menschen, die ich meinte zu kennen und ich stelle fest ihre Einstellung kenne ich nicht.
Freunde werden fremd, die Rente, von der ich lebe reicht aus, aber davon große Sprünge machen ? Ist nicht.
Aber warum soll ich das alles nur schlecht sehen und darf nicht jeden Tag für mich zu einem positiven Tag machen?
Es gibt viele kleine positive Dinge, Dinge, die ich selber schaffe und gestalte, Dinge die mir andere zeigen, Begegnungen und die Zeit für mich allein in der man einfach nur Musik hört und die Seele baumeln lässt oder? Etwas für sich tut oder aktiv ist und die Wohnung renoviert.
Mein Garten, meine Gedanken, meine Wohnung, Dinge die ich habe und die ich ganz persönlich gestalten kann. Sicher nicht von jetzt auf gleich, aber ich kann diesen Bereich der Welt verändern. Zum positiven, für mich und bin ich positiv? Dann färbt das in der Regel ab.
Und manchmal färbt es ab in rosarot und genau deshalb trage ich die rosarote Brille gerne und wir sollten sie auch tragen, wenn uns danach ist. Aber, die Brille ab und zu reinigen schadet nicht und dann hat man wieder klare Sicht. Die Farbeinstellung ist egal.
Daher:
Eure