Menschen haben noch was zu verschenken…

Es ist warm, herrlich warm. Kaffee hatte ich heute schon reichlich… und ansonsten den Hang, den berühmten Schongang einzulegen, was bei mir hin und wieder Sinn macht.

Da hör ich so, die Beine hochliegend ein recht bekanntes Geräusch. Der Eiswagen kommt. Also? Genau, warum nicht den sonnigen Tag mit einem Eisbecher krönen? Ab und an hab ich mir im Sommer diesen Luxus gegönnt und beschloss: Heute ist auch so ein Tag.

Klar, dass die Kids den Wagen schon belagerten. Der  umgebaute VW-Bus sieht aus, als ob er schon bessere Jahre erlebt hätte. Und eigentlich sollte man meinen, dass der Besitzer jeden Cent zur Seite legt, um den alternden VW-Bus irgendwann zu ersetzen. Im Verhältnis zu den einzelnen Eiskugeln sind die Becher mit 4 Euro wirklich günstig veranschlagt. Aber für das Taschengeld der Kids hier in der Siedlung sind 80 Cent ein kleines Vermögen.

Wir brauchen nicht zu diskutieren, dass zu unserer Zeit die Kugel mit 80 Pfennig als überteuert galt. Vor mir ein Geschwisterpaar. Er legte ganz stolz sein 2 Euro hin und forderte 2 Kugeln. Ihre Geldbörse war so leer, wie bei manch einem von uns das Bankkonto kurz vorm Ersten.
Der Eisverkäufer fragte zur Vorsicht noch mal nach, weil er das genauso mitbekam wie ich.
„Nein, die 2 Kugeln sind für mich, dann kriegt meine Schwester halt nichts.“

Teilen kennen die Kids und viele andere Leute heutzutage wohl nur von Facebook.
Nun ich beschloss für mich, die Kleine zu fragen, was sie für eine Kugel haben wollte.

Der Verkäufer, der das anscheinend ähnlich beobachtet hatte wie ich, zwinkerte mir zu und sprach direkt die kleine Dame an und fragte nach Ihrem Wunsch.
„Erdbeer,“ meinte sie zaghaft und sagte gleich hinterher, „aber ich hab doch kein Geld…“

Die junge Dame vor mir drehte sich um, wollte gerade gehen – während der Eisverkäufer ein kleines Eishörnchen mit einer Riesenkugel Erdbeer füllte.

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Ich stupste die Kleine an und meinte: „Hey, Du kannst doch jetzt Dein Eis nicht vergessen.“

Der Eisverkäufer hielt es ihr hin und meinte: „Es gibt Tage, da gehen auch Wünsche in Erfüllung.“

Ich bin mir gerade auch nicht sicher, wer sich mehr gefreut hat, die Kleine, die Ihr Glück kaum fassen konnte, ich – oder doch der Eisverkäufer, der mir einfach einen Schritt voraus war.

Ich kam gar nicht zum Zuge. Musste aber lächeln und meinte: „Eigentlich wollte ich die Kleine gerade fragen…“

„Ich weiss, signora,“ sagte der Verkäufer lächelnd, „aber im Grunde, haben Sie die Kugel ja auch schon bezahlt. Mal davon ab, dass mich die paar Cent nun auch nicht retten würden.“

„Ich?“

„Ja, hier am Eiswagen gibt kaum einer Trinkgeld. Im Cafe ist das noch was anderes. Aber Sie Signora sind die einer der wenigen, die aufrunden. Und so kann ich das ganze auch einfach mal so weitergeben. Die jungen Dame ist glücklich, wir beide freuen uns und glauben Sie mir, das Mädchen wird auch in Zukunft gerne ein Eis bei mir kaufen.“

Da bin ich mir sicher und ich denke ich werde auch in Zukunft bei ihm aufrunden und mich nicht wundern, wenn der alte klapprige VW-Bus in ein paar Jahren immer noch hier durch den Ort fährt.

Wir leben zwar in einer Überflussgesellschaft,
doch Menschen mit Herz,
gibt es leider nicht als Massenproduktion.
© Sylvia Tubbesing

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